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Der Vorwurf, ein Zitat sei "aus dem Zusammenhang gerissen" ist immer der schwächliche Vorwurf einer Person, der ein Zitat nicht passt. Es ist eben gerade das Wesen eines Zitats, dass es aus einem Text stammt. Der Vorwurf impliziert, dass der Zusammenhang, aus dem ein Zitat entnommen ist, dieses widerlege. Zudem kann man alle Zitate auch in ihrem Zusammenhang lesen: Alle Zitate parallel zur Lutherbibel 1912 (PDF-Datei, 5,5 MB)

Das Wort "gerissen" suggeriert ferner unseriöses Vorgehen oder gar böswillige Absichten des Zitierenden. Dabei setzt man stillschweigend voraus, dass der restliche Teil der Schrift das Zitat entschärft, richtig stellt oder relativiert. Dass dies nicht so sein muss, zeigen folgende, auch aus dem Zusammenhang "gerissene" Zitate. Sind sie deswegen etwa weniger schlimm oder ist ihre Aussage deshalb entschuldbar?

"Wer leben will, der kämpfe also, und wer nicht streiten will in dieser Welt des ewigen Ringens, verdient das Leben nicht". (S. 317).

"Unterliegt aber ein Volk in seinem Kampf um die Rechte des Menschen, dann wurde es eben auf der Schicksalswaage zu leicht befunden für das Glück der Forterhaltung auf der irdischen Welt. Denn wer nicht bereit oder fähig ist, für sein Dasein zu streiten, dem hat die ewig gerechte Vorsehung schon das Ende bestimmt. Die Welt ist nicht da für feige Völker". (S. 105).

Es ist "eine Versündigung am Willen des ewigen Schöpfers..., wenn man Hunderttausende und Hunderttausende seiner begabtesten Wesen im heutigen proletarischen Sumpf verkommen lässt, während man Hottentotten und Zulukaffer zu geistigen Berufen hinaufdressiert". (S. 479).

Die Zitate stammen aus "Mein Kampf" von Adolf Hitler, Zentralverlag der NSDAP., Frz. Eher Nachf., G.m.b.H., München, 851.–855. Auflage 1943.

Gerhard Wimberger (Glaube ohne Christentum, Tectum Verlag Marburg 2013) schreibt auf Seite 106: Der oft zu hörende Vorwurf an Kirchenkritiker, der Autor betreibe „selektive Zitatenauswahl“, trifft nicht. Wenn die Auswahl von Zitaten aus der Bibel und lehramtlichen Dokumenten, welche heute als höchst problematisch angesehen werden müssen, als einseitig selektiv abgelehnt wird, warum ist dann die Auswahl von fromm-humanen Bibelversen, wie sie zum Alltag der Glaubensverkündigung und theologischer Glaubensrechtfertigung gehören, keine „selektive Zitatenauswahl“? Warum zum Beispiel predigt der Pfarrer auf der Kanzel nur über den wunderbar poetischen Psalmvers (Ps 145, 16 und 17, Luther 1912): "Du tust deine Hand auf und erfüllst alles, was lebt, mit Wohlgefallen. Der HERR ist gerecht in allen seinen Wegen und heilig in allen seinen Werken." Wieso predigt der Pfarrer nicht auch über den Psalmvers, der 4 Verse später folgt (Ps 145, 20): "Der HERR behütet alle, die ihn lieben, und wird vertilgen alle Gottlosen"? Betonen möchte ich, dass die hier angeführten Zitate jeweils die zentrale Aussage des Textes enthalten und keineswegs aus einem anderes ausdrückenden Zusammenhang gerissen sind.